Schwerwetter 2003

"Schwerwettertörn" März 2003 in Holland

Oder: Die Schwierigkeit bei leichten Winden vorwärts zu kommen

Zeitraum: 21.3.03 bis 28.3.03 Route: Lemmer - Enkhuizen - Ijlmuiden - Texel/Oudeschild - Medenblick - Hindelopen - Enkhuizen - Lemmer. Insgesamt etwa 220 Seemeilen, davon wurden ca. 100 Seemeilen unter Motor zurück gelegt.

Ausgeschrieben war der Törn bei Sailing Island als Schwerwettertörn auf dem Ijsselmeer und der angrenzenden Nordsee. So wurden wasserdichtes Ölzeug, Gummistiefel und viele warme Kleider eingepackt um gut ausgerüstet den hohen Wellen und starken Winden zu trotzen.

Klar war allen Crewmitgliedern, dass sich schweres Wetter nicht bestellen lässt. Ein riesiges und vor allen Dingen sehr stabiles Hochdruckgebiet über der Nordsee begleitete uns die ganzen sieben Tage. Wir hatten wunderschönes Wetter mit sehr viel Sonnenschein und Temperaturen bis 20 Grad.

Der Wind schaffte es aber höchstens bis auf vier Beaufort und wehte auch nicht an allen Tagen. Aber es war eine super Crew die mit Skipper Ralf Lubbe schöne und lehrreiche Tage verbracht hatte.

Ankunft aller Crewmitglieder in Lemmer

Auf dem Programm stand das gegenseitige kennen lernen, die Kojenverteilung und vor allem das gemeinsame Einkaufen der Vorräte für die gesamte Woche. Es stellte sich gleich zu Anfang heraus, dass das Crewmitglied Uli ein passionierter Hobbykoch ist.

Diese Tatsache sorgte für viele kulinarische Höhepunkte während der ganzen Woche. Für etwa 300 Euro wurden bei Aldi sechs Einkaufswagen gefüllt und anschließend in der "Südwind" gebunkert.

Die Einkaufmenge war so dimensioniert, dass die Nahrungsmittel in fester und flüssiger Form genau für eine Woche ausreichten und nichts mehr weiter zugekauft werden musste. 

Lemmer - Enkhuizen

Auf dem Programm des zweiten Tags stand eine intensive Sicherheitseinweisung für die gesamte Crew. Unter Deck, über Deck – alle Ventile, Feuerlöscher. Pumpen, Fallen, Strecktaue und andere Sicherheitseinrichtungen wurden erklärt. Außerdem wurde der Motor gecheckt – ein nagelneuer Motor wurde im Winter eingebaut – und die Elektrik an Bord unter die Lupe genommen. Vor allem letztere sollte uns noch einige Male beschäftigen. Nach drei Stunden Sicherheitseinweisung wurde dann abgelegt.

Die Navigatoren setzen für diesen Samstag Horn als Ziel. Der Wind wehte bei Sonnenschein mit etwa drei Beaufort aus östlichen Richtungen. Ideale Bedingungen für den ersten Schlag. Das Ablegen und das herausmanövrieren der 42 Fuß-Bavaria aus dem engen Hafen von Lemmer klappte problemlos und schon bevor das Fahrwasser in der Lemmer Bucht den Weg in den Prinzess Margret Kanal kreuzte waren Groß und Genua gesetzt. Die etwa 15 Seemeilen nach Enkhuizen waren in etwa drei Stunden zurückgelegt.


Unterwegs lieferte sich unser Boot noch mit dem etwa zeitgleich gestarteten SKS-Ausbildungsboot Tabaluga (eine 36 Fuß Bavaria) ein enges Matchrace. Etwa eine Stunde fuhren die beiden Boote dicht nebeneinander her. Skipper Martin von der Tabaluga gab nach eine Stunde nach und drehte eine Kringel um abzufallen. ;-). In Enkhuizen angekommen war es schon fast 18:00 Uhr und wir beschlossen, diesen Tag im Companieshafen ausklingen zu lassen. Am Abend lies Uli dann zum ersten Mal sein kulinarisches Können aufblitzen: Es gab ein hervorragendes indisches Reisgericht. Einfach nur lecker. 

Enkhuizen Iljmuiden

Gestern noch drei Windstärken - heute Null. Motoren war angesagt. Zuerst ging es durch die Schleuse nach Enkhuizen um dann durch das Markermeer in Richtung Nordseekanal und Amsterdam zu fahren. Als Übung unter Deck wurde das Radargerät eingeschaltet. Am Anfang funktionierte es auch - bis es sich mit einem kurzen Piep verabschiedete und ausschaltete.

Wie sich zwei Tage später herausstellte war die Ursache dafür ein defektes Kabel. Überhaupt zeigte sich auf dieser Etappe, dass sich die Elektrik nach und nach verabschiedete. Offensichtlich wurde der Verbraucherstromkreis trotz laufender Maschine nicht geladen. Die Starterbatterien erfreuten sich aber eines ständigen Ladestroms.

Die Ursache muss wohl am Ladegerät liegen. Als Notmassnahme wurden die Batterien des Verbraucherstromkreises mittels eines Ãœberbrückungskabels von Hand mit den Starterbatterien überbrückt um sie bei laufender Maschine zu laden. Da das Ausbildungsschiff den Sicherheitsbestimmungen der Seeberufgenossenschaft unterliegt, stand immer noch eine dritte Notstrombatterie für die Dreifarbentoplaterne und das Funkgerät zur Verfügung. Am Abend kam dann der Techniker nach Ijlmuiden und führte notwendige Reparaturen aus. Die an Bord befindlichen Ingenieure beobachteten das Vorgehen und lernten dabei sehr viel, was alles nach einer Winterpause in einem Schiff noch nicht funktioniert. Das Los des ersten Törns in der Saison ;-). 

Iljmuiden - Texel

Nach einer ruhigen Nacht und einem erneuten köstlichen Abendessen - Uli kochte wieder wunderbar - gab es endlich einen ordentlichen Wind. Für unser Gefühl flogen wir fast die gesamte Strecke unter Segeln. Zwischen sechs und sieben Knoten waren auf der Loge abzulesen.

Wir hatten einen südlichen Wind von ca. 4 Beaufort. Da wir nach Norden wollten, mussten wir vor dem Wind bei achterlicher Welle fahren. Das Groß wurde mit einem Bullenstander nach vorne gesichert und die Genua ausgebaumt. Durch die Welle von hinten konnten wie uns zum ersten Mal vorstellen, wie es bei schwerem Wetter sein könnte. Genaues steuern war angesagt.

Da wir uns unserer Stromversorgung im Verbraucherkreislauf nicht sicher sein konnten, hatten wir alle unnötigen Stromverbraucher abschaltet und uns komplett auf die terrestrische Navigation verlegt. Kreuzpeilungen, Versegelungspeilungen und Mitkoppeln auf der Seekarte waren zu erledigen. Das funktionierte hervorragend. Als wir gegen 18:00 Uhr die Maschine angeworfen hatten um im jetzt gegen uns setzenden Texelstrom besser voran zu kommen, hatten wir die Verbraucherbatterie wieder per Starterkabel an die Starterbatterie angeklemmt.

Als das GPS wieder eingeschaltet wurde, lag unsere Koppelposition nach der letzten manuellen Ortsbestimmung nur unwesentlich neben der angezeigten Position. In der Dämmerung sind wir dann in Oudeschild auf Texel eingelaufen. Nach einiger Verwirrung wo wir anlegen sollten, haben wir uns in eine Box gezwängt. Eigentlich wollten wir an diesem Abend auf Texel Essen gehen, im März werden aber dort bereits um 21:00 alle Bürgersteige hochgeklappt. So mussten unsere Reste für den Abend herhalten. 

Oudeschild – Medemblick

Fehlender Wind machte dem Plan außen herum von Texel nach Vlieland zu segeln zu nichte. Die Alternative war schnell gefunden. Zurück ins Ijsselmeer um dort Anlegemanöver zu üben und vor allem die schönen Städte zu besichtigen. Falls auch an den letzten Tagen kein Wind aufkommen sollte, hatten wir dort die Möglichkeit einige Sightseeingtours auf den Kanälen zu unternehmen.

Gegen 10:00 Uhr starteten wir unsere Rückfahrt ins Ijsselmeer. Die Sicht war in diesem Morgen eingeschränkt, sie lag bei etwas unter einer Seemeile. Nach offizieller Definition ist das bereits Nebel zu nennen. Gelegenheit für uns, dass Fahren unter Radar zu üben. Die technischen Schwierigkeiten mit dem Radar wurden am Abend vorher durch das Anbringen eines neuen Stromsteckers gelöst. Für alle Teilnehmer war es interessant zu sehen, dass die Radarnavigation von der technischen Seite keine großen Anforderungen stellt sie aber gleichzeitig hohe Aufmerksamkeit und ständige Überprüfungen der Peilungen erfordert. Ist das Echo jetzt eine Tonne oder kommt uns vielleicht doch etwas in die Quere? In Kombination mit dem GPS und durch Ausguck gehende Crewmitglieder sind wir dann ohne Probleme bis zu Schleuse nach Den Oever gekommen.

Nach dem die Schleuse passiert war, nutzen wir die Gelegenheit, Anlegemanöver an der Wartestelle zu üben. Ablegen mit eindampfen in die Achterspring, legen einer Vorspring zum eindampfen, aufstoppen auf engem Raum, rückwärts anlegen um in wärmeren Gefilden eine Mooringleine aufnehmen zu können – all diese Standardmanöver wurden von allen geübt.

Danach ging es weiter bis nach Medemblick. Dort legten wir nahe am Meldesteiger an und verholten uns anschleißend per Leine weiter zurück. Beim abendlichen Anlegerbier fiel eins auf: Das Boot liegt sehr ruhig, kein wackeln, kein schaukeln und das Heck schaut auch etwas höher aus dem Wasser als sonst. Wir hatten den Kiel in den weichen Hafenschlick gezogen und das Boot steckte fest. Wie kommen wir Morgen frei? Wird es Probleme geben? Diese Fragen wurden diskutiert und die Spannung hielt sich bis zum nächsten Morgen.

Anschleißend wurde der Ort und die dortigen Jachtwerften inspiziert. Gebrauchtyachten wurden angeschaut und die eigene Traumyacht genauestens definiert und im Kopf bereits ausgesucht.  

Medemblick - Hindelopen

Früh am Morgen galt der erste Blick dem Wetter: Strahlender Sonnenschein, etwas Dunst und eine leichte Brise in Form von zwei bis drei Windstärken. Nicht viel aber immerhin konnten wir davon ausgehen, dass an diesem Tag die Maschine nur zum An- und Ablegen benutzt wird. Nach dem Frühstück ging es auch dann los und wir überquerten das Ijsselmeer von Medemblick in Richtung Stavoren. Die Strecke konnte dann auch in etwa drei Stunden zurückgelegt werden.

In Stavoren machten wir im Stadthafen fest und ein kleiner Spaziergang durch das Städtchen schloss sich an. Dabei wurde auch eine Yachtwerft besichtigt und die ausgestellten Boote begutachtet. Jede Menge Schiffe standen dort aufgebockt und konnten besichtigt werden. Klein und dezent dann immer das Preisschild - Träumen ist erlaubt.

Da das Wetter wieder hervorragend war und ein Crewmitglied an diesem Tag auch seinen Geburtstag feierte ging es zu Kaffee und Kuchen erst einmal ins Cafe. Frisch gestärkt ging es danach weiter zum letzten Schlag des Tages nach Hindeloppen. Auf dem kurzen Stück dorthin nutzten wir die Gelegenheit, dass Mann über Bord Manöver intensiv zu trainieren. Jeder fuhr mehrmals den Quickstop. Das Boot fährt am Wind einen Vollkreis, der Rudergänger muss keine Schoten bedienen und vor allen Dingen er fährt nicht sehr weit vom Verunglückten weg. Ein - meiner Meinung nach - einfach geniales Manöver. Oder mit den Worten von Skipper Ralf: " Jeder hat sofort im ersten Anlauf die Boje wieder aufgenommen."

Im Hafen von Hindelopen wurde abends rauschend gekocht. Die große Resteverwertung des Proviants musste bewältigt werden. Beim Kochen halfen alle mit. An diesem Abend wurde wirklich viel gelacht.  

Hindelopen - Workum - Enkhuizen

Nach dem Klarschiffmachen am Morgen - es gab jede Menge zum abspülen - fuhren wir unter Motor den kurzen Schlag hinüber nach Workum. Die Einfahrt nach Workum ist gut betont, allerdings muss man sich auch genau innerhalb des Fahrwassers bewegen. Mit der Bavaria und ihren zwei Metern Tiefgang sind wir einmal kurz aufgesetzt. Im Ijsselmeer ist der Grund allerdings sehr weich und es passiert nichts. Rückwärtsgang rein und langsam wieder zurück bis das Schiff frei schwimmt. In Workum haben wir uns einige nette Plätze angeschaut. Einige Mitglieder der Crew haben schon für die nächsten Monate ein Boot in dieser Gegend gechartert.

Danach ging es wieder hinaus. Und da erwachte Punkt 12:00 Uhr der Ehrgeiz der Crew. Trotz Windstärke eins sollte die Strecke hinüber nach Enkhuizen auf jeden Fall ohne die "eiserne Genua" bewältigt werden. Ausbaumen der Genua, Trimmen und jeden Windhauch ausnutzen - das Training für Leichtwindbedingungen war von Erfolg gekrönt.

Gegen 18:00 Uhr hatten wir es dann geschafft. Die Distanz von 17 Seemeilen war komplett bewältigt und die Segel sind im Vorhafen des Companieshaven von Enkhuizen gefallen. Während des Anlegebiers gab es einen wunderschönen Sonnenuntergang. Die Fotos vermitteln ein Gefühl von Sommer und Mittelmeer, es kühlte aber sehr schnell auf zwei bis drei Grad ab. Am Abend spazierten wir durch das schöne Städtchen. Ende März ist in Holland nicht sehr viel los und wir mussten uns sputen um noch ein Restaurant für das Abschlussessen zu finden. 

Enkhuizen - Lemmer: Ein kurzer Schlag zum Schluss

Endlich Wind der Stärke drei bis vier aus Ost. Morgens um 6:00 beim Aufstehen rüttelte der Wind in den Wanten und wir beschlossen, sofort aufzubrechen und den Wind zu nutzen. Das wir nach Westen wollten und der Wind aus dieser Richtung kam mussten wir kreuzen und deswegen etwa mehr Strecke zurücklegen. Wieder war die Sicht sehr schlecht, es herrschte Nebel. Für den letzen Schlag hinüber nach Lemmer musste das Radargerät als Hilsmittel wieder gute Dienste leisten.

Die Navigation klappte und so schafften wir fast die ganze Strecke unter Segel bis nach Lemmer. Nur für die letzten fünf Meilen musste die Maschine noch einmal herhalten um uns rechtzeitig in den "Heimathafen" der Südwind zu bringen. Gegen 12:30 Uhr gab es ein letztes kniffliges Anlegemanöver. Das Boot muss mit dem Heck zur Pier in eine enge Box hineinmanövriert werden.

Danach gab es noch jede Menge zu tun: Auftanken, reinigen ausräumen... Gegen 14:00 Uhr waren wir fertig und die Crew verabschiedete sich von einander. Auch wenn die Crewmitglieder vielleicht mit anderen Erwartungen zum Törn gefahren sind - die Woche war sehr lehrreich und hat allen viel Spaß gemacht und alle haben viel gelernt.