Die ersten Erfahrungen auf einem selbst gecharterten Boot ? Eine Woche auf einer Friendship 28 im Juni 2001
Mein erster Chartertörn im Sommer 2001 führte nach Holland, genauer gesagt nach Lemmer. Das Boot wurde gechartert, um Erfahrungen zu sammeln. Außer mir (Armin Gellweiler) und meiner Familie (meine Frau Antje und meine beiden Kinder Sebastian und Leonie im Alter von sechs und vier) waren an diesem Törn mein Bruder Jochen mit seiner Frau Dorothee und seine beiden Kinder Philipp und Felix (11 und 8 Jahre) beteiligt. Wir hatten in Lemmer noch ein Ferienhaus mit Bootsanlegeplatz gemietet. Dieses Ferienhaus war unsere Station, zu der wir jeden Abend zurückkehrten.
An Scheinen besaß ich damals den Sportbootführerschein See und den Sportbootführerschein Binnen und Segeln und Motor. Außerdem hatte ich drei Monate vorher die theoretische Prüfung zum SKS-Schein bestanden. Bei der Praxis zum Sportbootführerschein Binnen segelten wir Jollen und einen ganzen Tag lang hatten wir die Möglichkeit, eine 29 Fuß-Etap-Yacht auf den großen Nebenarmseen des Rheines zu segeln.
Alles in allem besaß ich vor diesem ersten Törn recht wenig eigene praktische Erfahrung. Aus diesem Grund hatte ich beim Vercharterer (Maran Yachtcharter in Terkaple) einen eintägigen Trainingstag belegt.
Nach der Anreise aus Karlsruhe und der Übernahme des Ferienhauses in Lemmer bin ich mit meinem Bruder Jochen und seinem Sohn Philipp zur Bootsübernahme von Lemmer nach Terkaple gefahren. Die Übernahme ging schnell über die Bühne - wie alles funktionierte und wo was auf der Friendship 28 zu finden ist, erklärte der Segeltrainer während der Übungsstunden.
Die erste Aufgabe war, das knapp 9 Meter lange Boot aus dem Hafen raus zu bewegen und vor einer Klappbrücke wieder anzulegen. Der Hafen von Maran Yacht-Charter liegt in dem kleinen Ort Terkaple und ist durch einige Kanäle mit dem Sneekermeer verbunden. (Meere sind in Holland die großen Binnenseen, dass was wir unter Meer verstehen wird als Zee bezeichnet). Das erste Anlegemanöver hat dann auch gleich funktioniert.
Danach ging es raus aus dem Boot und die Brücke wurde hochgekurbelt. Die Durchfahrt ist nicht besonders breit und erfordert Aufmerksames steuern. Diese Hürde wurde gemeistert und es ging über eine Strecke von ca. 3 Seemeilen durch enge Kanäle in Richtung Sneekermeer.
Bevor es mit dem Segeln losgehen konnte, war erneut eine Klappbrücke zu passieren. Fahrt verlangsamen, vorsichtig manövrieren um nicht mit den vielen Jollen in Kontakt zu kommen und dann, nach dem die Ampeln auf Grün geschaltet hatten, durch die Brücke. Die erste Stunde ermöglichte jede Menge Erfahrungen mit den 19 PS der Friendship. Kurz zur Wettersituation: Es war stark bewölkt mit einigen Regenschauern und es wehte ein Wind mit etwa 4-5 Beaufort.
Auf dem Sneekermeer angekommen ging es dann los mit dem Setzen der Segel. Die Friendship ist mit einer Rollgenua und mit einem durchgelatteten Großsegel mit Lazy-Jack-System ausgestattet. Beim Setzen des Groß muss das Boot sehr genau im Wind stehen, um das Segel nach oben zu bekommen. Ansonsten verheddern sich die Latten des Großsegels sehr schnell in den Führungsleinen des Lazy-Jack-Systems. Das Segel fällt durch diese Leinen beim Bergen genau in die Persenning rein und man muss dann nur noch den Reisverschluss zumachen. Sehr bequem, aber wenn das Boot beim Segel setzen nicht genau im Wind steht, bleiben die Latten hängen.
Nach dem das Groß gesetzt und die Genua ausgerollt war, ging es los mit Wenden, Halsen, Beidrehen, Mann über Bord Manövern und Segel reffen. Wir haben diese Manöver über einige Stunden geübt und sind dann wieder durch die Kanäle zurück bis nach Terkaple gefahren. Mit dem Auto ging es dann zum Ferienhaus nach Lemmer und der erste Tag auf dem Schiff war vorbei.
Der zweite Tag stellte uns die Aufgabe, das Boot von Terkaple nach Lemmer über die Kanäle zu überführen. Auf der Kanalfahrt waren meine Kinder Sebastian (6) und Leonie (4) und meine Frau Antje mit dabei. Nach dem Frühstück fuhren wir von Lemmer nach Terkaple. Das Wetter war sonnig mit einer Windstärke von ca. 2-3 Beaufort. Gute Bedingungen für eine Kanaltour von ca. 20 Meilen auf dem Princes Margret Kanal vom Sneekermeer bis nach Lemmer.
Besonders spannend auf der Strecke war für die Kinder das Passieren der verschiedensten Klappbrücken. Ich selbst konnte auf der Kanalstrecke das Fahren unter Maschine gut üben und dabei weitere Erfahrungen sammeln. Auf dem Sneekermeer hatten wir dann die Segel gesetzt und sind ein kurzes Stück gesegelt. Gegen Nachmittag hatten wir einen Stop in einem kleinen Hafen eingelegt und dort sind dann meine Kinder von Bord und Dorothee, die Frau meines Bruders kam mit Felix (9) an Bord.
Aufregend war es dann in Lemmer die richtige Einfahrt zu unserem Ferienhaus zu finden. Rund um Lemmer ist einiges an Häfen und Ferienanlagen gebaut worden und beim ersten Versuch ging es dann auch erst einmal schief - die falsche Einfahrt wurde genommen. Wieder eine Gelegenheit auf engstem Raum zu manövrieren. Vor und zurück plus Wenden stand auf dem Programm. Durch das Lotsen meiner Frau Antje von Land aus haben wird dann im zweiten Versuch die richtige Einfahrt gefunden und das Boot lag an diesem Abend vor dem Ferienhaus fest. Die Kinder freuten sich besonders darauf, auf dem Boot zu übernachten.
Dieser Tag begrüßte uns mit Sonnenschein und wenig Wind um 1 Beaufort aus NO. Der Wetterbericht sagte für diesen Tag auch keine wesentlichen Veränderungen voraus. Wir beschlossen alle zusammen durch den Stadtkanal von Lemmer zu fahren und einmal hinaus in die Lemmer Bucht zu schauen, um dort bei den schwachen Winden ein Stück segeln zu können.
Für die Kinder war diese Strecke ein interessantes Programm ? drei Klappbrücken und eine Schleuse mussten passiert werden, bevor es aufs Ijsselmeer rausging.
Draußen angekommen setzten wir die Segel und bewegten uns mit 1 bis 2 Knoten langsam vorwärts. Ärgerlich waren vor allem die kleinen Mücken, die bei wenig Wind auf dem Ijsselmeer die Boote überfallen. Nach etwa zwei Stunden haben wir uns entschlossen unter Motor zurück zu fahren . Wieder wählten wir den Weg durch den Stadtkanal zurück zum Ferienhaus.
Wieder gab es blauen Himmel mit Sonnenschein. Allerdings hatte der Wind nach Ost gedreht und auf Windstärke drei bis vier aufgefrischt. Als Ziel hatten wir uns Urk gesetzt. Von dort sollte es am Nachmittag dann wieder zurück nach Lemmer gehen. An Bord war mein Bruder, seine Frau und mein Neffe Philipp. Durch den Stadtkanal fuhren alle Kinder mit. An der Schleuse stiegen dann drei Kinder aus. Diese verbrachten einen Tag am Strand von Lemmer. Dieser Tag war der erste richtige Segeltag für mich. Wir kreuzten vor dem Wind aus der Lemmer Bucht um dann auf einem wunderschönen Raumschotkurs nach Urk zu segeln. Die Friendship lief auf diesem Kurs bis zu sieben Knoten und wir hatten die Strecke von Lemmer bis Urk in etwa 3,5 Stunden hinter uns gebracht.
Nach einer Mittagspause mit Kaffee und Kuchen ging zunächst wieder auf schnellem Raumschot-Kurs zurück in Richtung Lemmer Bucht. Um in die Bucht reinzukommen mussten wir am Wind aufkreuzen. Nach etwa vier Stunden waren wir wieder vor der Schleuse in Lemmer und fuhren unter Motor zum Ferienhaus zurück. An diesem Tag konnten viele Manöver geübt werden. Wenden- und Halsen stand auf dem Programm.
Das Wetter war schwül und gewittrig, zuerst ganz wenig Wind, im Gewitter auffrischend auf 6 bis 7 Beaufort.
Dieser Tag bracht eine ganz wichtige Erfahrung:
Achte immer ganz genau auf die Wetterentwicklung!
Da es morgens schon sehr schwül war, hatte ich den Beschluss gefasst mit meiner Frau und meinen Kindern nur in die Lemmer Bucht hinauszufahren um schnell wieder zurückkehren zu können. Die anderen machten einen Ausflug nach Monikendam mit dem Auto. In der Lemmer Bucht hatten wir geankert und sind, wegen der Schwüle, schwimmen gegangen. Bis dahin war es ganz windstill.
Nachdem wir aus dem Wasser rausgekommen waren fing es zunächst ganz leicht an zu wehen. Für mich ein Signal um loszusegeln. Ich setzte also mit meiner Frau die Segel und wir fuhren bei NW Wind von 2-3 Beaufort in Richtung Westen. Was ich nicht richtig beurteilte war die Gewitterbö, die dann aus Richtung Enkhuizen auf uns zu rollte. Sie war gut zu sehen, aber anstatt zu reffen oder die Segel ganz einzuholen fuhr ich weiter. Es lief ja so gut. Meine Kinder spielten zu dieser Zeit unter Deck in der Vorschiffkajüte. Dann war die Bö mit einer Stärke von 6 bis 7 Beaufort da und die Friendship wurde ordentlich auf die Seite gelegt.
Meine Reaktion war es, das Boot in den Wind zu drehen und die Segel schnell runter zu holen. Da meine Frau keine Erfahrungen mit dem Steuern hatte, hatte sie erheblich Schwierigkeiten, dass Boot im Wind zu halten. Wir haben es dann geschafft alle Segel zu bergen und sind unter Maschine Richtung Lemmer zurückgefahren ? die Situation war sehr gefährlich!
In diesem Moment hatte ich zwei Fehler begangen: Erstens nicht rechtzeitig gerefft (oder Segel geborgen) zu haben und zweitens fehlte eine zweite Person, die das Boot sicher steuern konnte.
Das Wetter hatte sich wieder beruhigt, es schien die Sonne und der Wind kam aus West mit einer Stärke von 4 Beaufort. Allerdings hatte sich nach dem Gewittersturm von gestern die berühmte kurze- und steile Ijsselmeerwelle aufgebaut. An diesem Tag war wieder mein Bruder Jochen mit seiner Frau Dorothee und mein Neffe Philipp an Bord. Unser Ziel an diesem Tag sollte Stavoren sein und wir kreuzten zunächst am Wind aus der Lemmer Bucht heraus.
Die Friendship stampfte ordentlich in den Wellen und wir kamen nur sehr langsam in Richtung unseres Zieles voran. Nach etwa 2,5 Stunden wurde der Beschluss gefasst zunächst beizudrehen, eine kurze Pause zu machen um dann nach Lemmer zurückzukehren. Spannend fand ich es, wir ruhig das Boot durch das Beidrehen auch im starken Wellengang liegt.
Bei der Rückfahrt nach Lemmer wurde Dorothee dann Seekrank. Auf der Rückfahrt machte ich zwei Fehler, die zu gefährlichen Situationen an Bord führten. Der erste war, bei starken Seegang auf Vorwindkurs das Großsegel stehen zu lassen. Alle anderen Boote fuhren nur mit Genau und hatten das Groß eingeholt.
Ich wollte das Groß mit einem Bullenstander sichern. Dabei steuerte mein Bruder das Boot und bei einer Welle setze der Baum zu einer Patenthalse an. Dabei wurde ich leicht vom Baum erwischt und mir wurde mit einem Schlag klar, wie schnell man in dieser Situation von Bord geworfen werden kann. Glücklicherweise ist nichts passiert.
Vor Schreck bin dann zurück ins Cockpit geklettert. Der Bullenstander, der den Baum sichern sollte, war allerdings nicht installiert. Die Folge: Nach kurzer Zeit machte das Boot eine Patenhalse. Wir hatten an diesem Tag zum zweiten Mal riesiges Glück: Meine Schwägerin Dorothee saß zusammengekauert in der Cockpit-Ecke (sie war ja Seekrank) als der Baum bei der Patenthals auf sie zukam. Gott sei Dank erwischte der Baum nur die Sonnenbrille, die dabei zu Bruch ging und einen Kratzer im Gesicht verursachte. Die Patenthalse verursachte auch im Rigg keinerlei Schäden.
Wir hatten sehr viel Glück gehabt und hier zeigt sich deutlich die mangelnde Erfahrung. Die Konsequenz lautet für mich: Bei einem solchen Wellengang und Wind von achtern auf keinen Fall das Großsegel setzen um Patenthalsen zu vermeiden.
Der Siebte Tag war der Abreisetag. Früh morgens brachte ich das Boot zusammen mit meinem Bruder über die Kanäle zurück nach Terkaple zu Maran- Yacht-Charter. Während der Fahrt wurde Klarschiff gemacht und gegen 11:00 Uhr erfolgte die Übergabe des Bootes in Terkaple.
Fazit meines ersten Törns:
Die ersten vier Tage waren durch die Kanalfahrten und das einfache Segeln in der Lemmer Bucht sehr schön. Am fünften und sechsten Tag machte ich schwere Einsteigerfehler, die zum Glück ohne weitere Folgen blieben. Durch die guten ersten vier Tage habe ich mich überschätzt und das führte unweigerlich zu Fehlern. Sich zu überschätzen ist die größte Gefahr beim Segeln.
Aber ich habe viel gelernt und ich halte die Idee, seinen ersten Törn mit einem festen Stützpunkt zu verbinden, für eine gute Idee. Auch das Manövrieren durch die friesischen Kanäle ist eine praktische Übung und hat mir viel Erfahrung gebracht.